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Einsatzbereich Einrichtungen für Menschen mit Binderung
Im März 2020 fing in Deutschland alles an: Eine noch nie da gewesene Situation - zumindest nicht für meine Generation. Die Welt stand kopf und zugleich auch still. Keiner wusste, wie es weiter geht.
Ich, 25, stand kurz vor dem Abschluss meines Studiums zur Mediendesignerin. Es fehlte nur noch meine Abschlussarbeit. In einem Medienstudium gibt es viele Möglichkeiten, die zu absolvieren. Man hätte zum Beispiel einen Film drehen können und das war auch anfangs mein Plan. Aber die Hochschule war geschlossen und somit wurden alle filmischen Projekte nach hinten verschoben. Schlussendlich traf ich die Entscheidung, ein Magazin über Menschen mit Behinderung und deren Inklusion auf die Beine zu stellen. Das erschien mir in diesen Zeiten auch ohne viel Equipment machbar, das man sich sonst zu solchen Zwecken an der Hochschule ausleihen darf. Außerdem liegt mir das Thema sehr am Herzen, da ich selbst seit Geburt eine körperliche Behinderung habe. Wegen einer Fehlbildung wurde mir im Alter von zwei Jahren das linke Bein im Knie amputiert. Ich trage seitdem eine Oberschenkelprothese.
Im November gab ich die Abschlussarbeit ab. Jetzt bin ich also Mediendesignerin. Und nun? Was sollte ich tun in einer Branche, die aufgrund der Pandemie auf Sparflamme lief? In einer Zeit, in der Kunst und Kultur gefühlt inexistent waren? In einer Zeit, in der Unternehmen generell zögerlich mit Neueinstellungen waren? Ich hatte nur wenig Motivation, meinen Beruf tatsächlich in dieser Situation auszuüben.
Meine Abschlussarbeit hatte mich mit wunderbaren Menschen mit und ohne Behinderung in Kontakt gebracht, die alle ganz unterschiedlich Inklusion leben und sich dafür einsetzen. Noch voll im Thema drin, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich könnte ein Freiwilliges Soziales Jahr machen und die schwierige Zeit mit etwas Sinnvollem überbrücken.
"Ich war nicht auf der Suche nach einem zukünftigen Beruf. Ich war auf der Suche nach Erfahrungen, die über meine eigene körperliche Behinderung hinausgingen."
Von meinem Umfeld bekam ich oft zu hören, dass es ungewöhnlich sei, nach dem Studium ein FSJ zu beginnen. Normalerweise nutzt man ein FSJ, um sich beruflich zu orientieren. Doch ich ging mit einem ganz anderen Gedanken an die Sache ran: Ich war nicht auf der Suche nach einem zukünftigen Beruf. Ich war auf der Suche nach Erfahrungen, die über meine eigene körperliche Behinderung hinausgingen. Ich empfand es wie eine logische Konsequenz zu meiner Abschlussarbeit, in der ich meistens nur telefonischen Kontakt zu den Menschen hatte, die ich interviewen durfte. Ich wollte die Erfahrungen (er)leben.
Ich entschied mich für die FSJ-Stelle in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung der Lebenshilfe Offenburg-Oberkirch e. V. Die Bewohner meiner Wohngruppe sind zum größten Teil kognitiv eingeschränkt und/oder haben körperliche Einschränkungen, die ein komplett selbstständiges Leben unmöglich machen.
Ich hatte vor dieser Zeit noch nie Kontakt mit jemand, der kognitiv eingeschränkt ist. Dementsprechend war ich zu Beginn auch unsicher, wie ich mich mit den Bewohner:innen verhalten soll. Mit der Zeit lernt man aber die ganz eigenen Sprachen der Menschen und das funktionierte nur durch intensives Beobachten und mit viel Geduld.
Geduld ist ein gutes Stichwort, denn Geduld muss man für diesen Job auf jeden Fall mitbringen. Und wenn man diese Fähigkeit nicht mitbringt, wird man sie sehr schnell erlernen müssen. Man muss sich darauf einstellen, dass vieles anders läuft, als man es gewohnt ist. Dinge des alltäglichen Lebens brauchen oft länger Zeit, Menschen verhalten sich in der Öffentlichkeit nicht so wie erwartet oder man muss zum Beispiel hundert Mal das gleiche Antworten, weil der oder die Bewohner:in durch Wiederholungen versucht, eine Unterhaltung aufzubauen.
All das braucht Geduld und viel Verständnis. Man lernt in diesem Job, seine eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten bis zu einem gewissen Grad hintenanzustellen. Ich möchte behaupten, dass ich in dieser Zeit ein hohes Level an Geduld gelernt habe.
Bemerkenswert empfand ich, dass von keiner Seite Kommentare wie „wie willst du das mit deiner eigenen Behinderung meistern?“ kamen. Man wurde einfach so akzeptiert und man durfte seine eigenen Grenzen austesten.
Natürlich war/ist die Zeit der Pandemie für niemanden einfach. Nicht für die Mitarbeiter:innen und noch viel weniger für die Bewohner:innen. Trotzdem habe ich mich noch nie so sicher gefühlt. Ich wurde drei Mal die Woche auf das Virus getestet und Schutzausrüstung war immer vorhanden. Ziemlich früh gab es auch die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, um sich selbst aber auch die Menschen um sich herum zu schützen. Plötzlich war man für die Bewohner:innen Familienersatz. Man war die Schulter, an der man sich ausweinen konnte. Ein Besuch in den Supermarkt war wie ein seltenes Abenteuer. Simple Dinge wie ein Spaziergang waren aufregend.
Bemerkenswert empfand ich, dass von keiner Seite Kommentare kamen, wie „wie willst du das mit deiner eigenen Behinderung meistern?“. Man wurde einfach so akzeptiert und man durfte seine eigenen Grenzen austesten. Natürlich kommt man auch irgendwann an die Belastungsgrenze, vor allen Dingen, wenn man selbst eine Behinderung hat. Aber all das wird entschädigt, wenn man ein simples Dankeschön von einem/-r Bewohner:in bekommt, weil man mit ihr oder ihm einkaufen oder in einer anderen Lebenslage behilflich war.
Auch die Seminarwochen, die fester Bestandteil eines FSJs sind, waren ansprechend gestaltet. Natürlich fanden sie online statt, aber man konnte sich trotzdem gut austauschen und man hatte jede Menge Spaß. Vorträge zu den Themen „Feminismus“, „Drogenhilfe“ und „psychische Erkrankungen“ boten Einblicke in andere soziale Bereiche.
Ich bin wie gesagt, mit dem Gedanken reingegangen, anderen etwas Gutes zu tun und nicht, um in den Pflegeberuf einzusteigen. Letztendlich bin ich dann doch mit einem Arbeitsvertrag in einem anderen Bereich der Lebenshilfe rausgegangen. Ab Oktober werde ich die Öffentlichkeitsarbeit der Lebenshilfe Offenburg-Oberkirch e. V. unterstützen. Dort kann ich meine im Studium erlernten Fähigkeiten wie Fotografie, Grafikdesign, Videoproduktion und Social Media Management einbringen. Ein Bereich, für den sich mein Studium gelohnt hat und für den ein „Blick hinter die Kulissen“ hilfreich war, um mein zukünftiges Handeln darauf abzustimmen.
Ich möchte damit auch ausdrücken, dass kein Weg „gewöhnlich“ sein muss. Genauso wie man nach der Schule nicht gleich studieren oder eine Ausbildung anfangen muss, ist man nach einem Studium nicht gezwungen, sofort in den Beruf einzusteigen. Solange der Weg für einen sinnvoll erscheint, ist er richtig! Ganz egal in welcher Lebenssituation man sich befindet oder welches Alter man hat. Erfahrungen zu sammeln und sich für andere Menschen einzusetzen, ist nie eine Zeitverschwendung.
Mit einem FSJ verpasst man auch nichts. Im Gegenteil: Am Ende nimmt man so viel mit, was einem ein Leben lang begleitet. Und manchmal geht man unverhofft mit einer Arbeitsstelle raus. So oder so wächst man als Person. Das sind Erfahrungen, die ich nicht missen wollen würde!
– Polina Ullrich (26), Freiwilligendienstleistende in der Lebenshilfe Offenburg-Oberkirch e. V.